Anna H.
Esfahān - nesf-e Dschahān: Isfahan ist die Hälfte der Welt, sagt man, und das Spiel mit den Worten trägt Wahrheit in sich. Denn Isfahan liegt nicht nur an der Schwelle zwischen unterschiedlichen Kulturen, Wetterzonen und Weltsichten; sondern hat auch viel von ihnen in sich aufgenommen. Und so kann man in der Stadt wirklich so viel entdecken, dass sie einem wie die halbe Welt vorkommt. Wenn man von oben auf sie schaut – vom Soffeh-Berg an ihrem südlichen Rand zum Beispiel, während es dunkel wird und das Lichternetz größer aussieht als die Dächerlandschaft im Dunst des Tageslichts, wirkt Isfahan nahezu einschüchternd groß.
Aber unten in der Stadt verliert sich dieser Eindruck, denn zwischen den niedrigstöckigen, gemütlichen, alten Häusern, in den schmalen, verwinkelten Gassen, in den Alleen aus Pappeln und Weiden und neben den schmalen Gräben fühlt man sich schnell geborgen und auf den auf den lichtungsähnlich großen Vier-Iwan-Höfen der Moscheen, in den Parks und am grünen Ufer des Zayandeh Rud kann man durchatmen und städtischer Betriebsamkeit entkommen.
Und niemals würden es die Einwohner*innen Isfahans zulassen, dass sich ein Neuling in ihrer Stadt verirrt. Denn die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft in dieser Hälfte der Welt ist unermesslich.
Ich habe Isfahan sehr schnell ins Herz geschlossen, auch wenn ich die Stadt in einer ungewöhnlichen Zeit kennengelernt habe, in der ein Virus um sich griff und das öffentliche Leben einschränkte. Ich konnte mich nicht sattsehen an den blauen Kuppeln, den kleinen Geschäften, an den kunstvollen Brücken über dem Zayandeh Rud – der Si-o-Seh-Pol oder der Khaju Brücke – an den alten Villen, an den verzweigten Basargassen und ihren Teppichen, Miniaturen und Kupferwaren, an der doppelwandigen des Musikzimmers im Ali Qapu Palast, an den riesigen Iwanen, unter denen einem schwindelig wird, an den Umrissen der Berge, die schützend um die Stadt stehen und immer wieder an dem himmel- und meerblauen Blau der unerschöpflich verschieden gemusterten Fliesen.
Das Saraye Safir Hotel mit seinen bunten Fenstern, historischen Räumen und dem stillen, sonnigen Hof ist für ein paar Wochen mein Zuhause geworden in dieser wunderschönen Stadt voller Überraschungen. Das lag vor allem an seinen Mitarbeitenden, die meine Freund*innen wurden und mit unglaublicher Offenheit und Hilfsbereitschaft dafür sorgten, dass ich mich in der neuen Stadt gut aufgehoben fühlte.
Die reiche Geschichte der Stadt ist aber nicht nur in ihren unterschiedlichen heiligen Stätten, Palästen und Basaren spürbar, sondern auch in Hotels wie dem Saraye Safir, die sich in historischen Gebäuden befinden. Ich hatte die Chance, mehrere dieser geschichtsträchtigen Häuser zu sehen, in denen heute Gäste übernachten können. Ich stand auf dem Dach des Keryas Boutique Hotels in einem ungefähr 200 Jahre alten Gebäude aus der Kadscharenzeit, nur einen Katzensprung vom Naqsch-e-Dschahan-Platz entfernt, und schaute auf die in der Nacht beleuchtete Kuppel seiner großen Moschee.
Im Café des zierreichen Keshish House Hotels im armenischen Viertel Dschulfa trank ich einen der berühmten, leckeren Milchshakes, in der Teppichausstellung des prächtigen Abbasi-Hotels bekam ich die Unterschiede zwischen Teppichen aus Nain und Shiraz erklärt.
Die Zeit, die ich in Isfahan verbringen durfte, reichte nicht aus, um die Hälfte der Welt zu entdecken, aber sie war so wunderschön, dass ich auf jeden Fall zurückkehren werde!